Der Hessische Integrationsmonitor bildet seit 2010 regelmäßig die Entwicklung von Integration und Teilhabe in Hessen ab. Kein anderes Land erarbeitet eine solch tiefgehende und detaillierte wissenschaftliche Betrachtung im Bereich Migration/Integration. Der letzte Integrationsmonitor wurde im Jahr 2020 präsentiert.
Zugewanderte und ihre Kinder leiden besonders unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie, so ein Ergebnis des Hessischen Integrationsmonitors 2022, den der Minister für Soziales und Integration, Kai Klose, heute im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt hat. „Während sich die soziale Integration und die Teilhabe in vielen Bereichen erfreulich entwickelt, sehen wir aber eine Stagnation bei bestimmten Indikatoren der Themenfelder Bildung und auch Arbeit. Dies ist auch – aber nicht nur – auf Corona zurückzuführen“, erklärte Minister Klose in Wiesbaden.
Bereits seit der ersten Ausgabe bemüht sich das Hessische Ministerium für Soziales und Integration nicht nur, die strukturelle Dimension der Integration – vor allem Bildung und Arbeit – zu beleuchten, sondern auch soziale, kulturelle und identifikatorische Aspekte von Integration und Teilhabe – z.B. Sprachkenntnisse, Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft und das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland – zu untersuchen. „Dieser Integrationsmonitor ist besonders, denn er ist viel umfassender und detaillierter als Integrationsmonitore anderer Bundesländer“, so Minister Klose.
Die ausgewiesenen Indikatoren basieren auf Daten amtlicher Statistiken und sozialwissenschaftlicher Befragungen. Das Instrument gewährt so einen umfassenden Einblick in verschiedene Themenfelder wie Arbeit, Bildung, Gesundheit oder das Zugehörigkeitsgefühl der zugewanderten wie der bereits hier lebenden Hessinnen und Hessen. Der Integrationsmonitor zeigt Fortschritte bei der Teilhabe und weist auf Handlungsbedarfe hin. Die Fortschreibung der aktuellen Auflage umfasst 120 Indikatoren aus 32 Datenquellen. Ein umfangreicher Teil beschäftigt sich speziell mit Geflüchteten.
Demografische Situation in Hessen
In Hessen leben heute mehr als 2,2 Millionen Menschen mit einem sog. Migrationshintergrund. [1] Seit 2005 ist ihre Zahl um etwa 800.000 Menschen gewachsen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg von 24 auf 36 Prozent. Die Hälfte der unter 18-jährigen Hessinnen und Hessen hat einen Migrationshintergrund, d.h. sie selbst oder mindestens ein Elternteil sind zugewandert. Integrationsminister Klose prognostiziert: „Mir ist besonders wichtig, dass Zugewanderte hier ‚ankommen‘, sich in Hessen wohl und Deutschland zugehörig fühlen“, so Minister Klose. Um Konzepte zur Gewinnung und zum Halten von internationalen Fachkräften zu entwickeln, hat die Hessische Landesregierung das Bündnis Fachkräftesicherung ins Leben gerufen. Im Hinblick auf die aktuelle Situation ergänzt der Minister, dass Daten zu ukrainischen Geflüchteten in diesem Integrationsmonitor noch keine Berücksichtigung finden konnten.
Folgen der Corona-Pandemie
Im Auftrag des Ministeriums erhobene repräsentative Befragungsergebnisse aus dem Januar/Februar 2021 und 2022 belegen, dass die andauernde Pandemiesituation zu hohen psychosozialen Belastungen führt: Befragte mit Migrationshintergrund fühlen sich dabei deutlich häufiger gestresst (54 vs. 36 Prozent), niedergeschlagen (48 vs. 37 Prozent) oder einsam (40 vs. 36 Prozent) als Personen ohne Zuwanderungsgeschichte.
Negative Auswirkungen der Pandemie betreffen vor allem das Sozialleben. Rund 57 Prozent berichten hier von einer Verschlechterung. Rund ein Viertel der Befragten mit Migrationshintergrund beklagt daneben eine verschlechterte Einkommens- und Arbeitssituation, unter Personen ohne Migrationshintergrund sind es deutlich weniger.
Seit dem Pandemiebeginn im März 2020 ist die Arbeitslosigkeit vorübergehend deutlich angestiegen. Sie betraf Ausländerinnen und Ausländer dabei anteilig etwas stärker. Auch die ab Spätsommer 2020 einsetzende Erholung des Arbeitsmarktes verläuft unter diesen Beschäftigten etwas langsamer.
Identifikation mit Deutschland und Sorgen wegen Rassismus
Erfreulich ist schon heute, dass sich Personen mit Migrationsgeschichte mehrheitlich (zu 54 Prozent) mit Deutschland verbunden fühlen. Ein Drittel fühlt sich Deutschland und dem jeweiligen Herkunftsland gleichermaßen zugehörig und rund zehn Prozent empfinden eine stärkere Verbundenheit mit ihrem Herkunftsland (bzw. dem Herkunftsland der Eltern).
Der Integrationsmonitor zeigt aber auch: Hessinnen und Hessen sind zunehmend besorgt wegen der Entwicklung des Rassismus. Im Jahr 2019 machten sich 82 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund und sogar 89 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund Sorgen über Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass – dies sind 16 bzw. 13 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2011.
Ausblick
Der Integrationsmonitor 2022 zeigt wie die vorherigen Berichte, dass in vielen Bereichen – von Bildung über Einkommen bis zur Gesundheit – nach wie vor deutliche Unterschiede zwischen der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund bestehen. Sie werden zwar geringer, sind aber weiterhin vorhanden. Dazu erläutert Minister Klose: „Integrationspolitik bleibt vor dem Hintergrund der bestehenden Lücken und aufgrund der anhaltenden und gerade wieder stark steigenden Zuwanderung auch in Zukunft eine wichtige gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe.“
Um die gesellschaftliche Teilhabe aller bestmöglich zu unterstützen, fördert die Landesregierung mit dem Landesprogramm „WIR – Vielfalt und Teilhabe“ viele Bereiche und Projekte einer inkludierenden Integrationspolitik. Seit 2020 hat das Land diese Mittel noch einmal deutlich auf jetzt rund 11 Mio. Euro erhöht. Im vergangenen Jahr ist außerdem das Präventionsprojekt „WIR fördern Gesundheit“ gestartet, um auch die Gesundheitskompetenzen von Menschen mit Migrationsgeschichte nachhaltig zu stärken.
Der Hessische Integrationsmonitor ist abrufbar unter: https://integrationskompass.hessen.de/forschung/integrationsmonitoringÖffnet sich in einem neuen Fenster
[1] Hierbei handelt es sich um einen statistischen Begriff für Personen, die selbst zugewandert sind oder mindestens einen zugewanderten Elternteil haben. Er ist nicht deckungsgleich mit dem neuen hessischen Konzept der Menschen mit Migrationsgeschichte.